Die Lanigiro im Film, 1926 und 1936.
Musik: "Me and the Man in the Moon", (1928)

Die Geschichte der Lanigiro - Teil 1

Die Amateurjahre (1924 bis 1933)

1925 nannten sie sich noch "Lanigiro Band". V.l.n.r: Wagner, Willy Beuret, Steinbach, Mick?, Schelling, Mabille, Werthemann, Roger Beuret.
Der Beginn
22. März 1924. Abschlussball bei der Tanzschule Zurkinden im Casinosaal in Basel. Während die Tänzer ihre Partnerinnen an den Tisch zurückbegleiten, sich höflich verneigen, entschwinden die vier Musiker der Kranebitter Cosmopolitans in die wohlverdiente Pause.
Drei forsche Jünglinge benützen diese Gelegenheit, streben zur Bühne hin und machen sich an den Instrumenten zu schaffen. Bald darauf erklingt eine neue Tanznummer. Die Kranebitter-Musiker sind darob nicht gerade begeistert. Der Geiger beschwichtigt jedoch seine Kollegen, nachdem er feststellten konnte, dass die jungen Burschen die Instrumente fachgerecht bedienen können. Die Jünglinge, Roger und Willy Beuret sowie Oswald Wagner, nehmen jetzt ihre Chance wahr und spielen während einer halben Stunde eifrig zum Tanz auf. Der Applaus des anwesenden jungen Publikums ist entsprechend gross.

Roger Beuret
Für den Schlagzeuger der drei Musikbesessenen, Roger Beuret, bleibt dieser erste öffentliche Auftritt unvergesslich. Das halbstündige Spektakel war nämlich der Auftakt zu einem Unternehmen, dessen Fortgang er wie folgt schildert:

"Meines Wissens war dies hierzulande der erste Auftritt von zwei fünfzehnjährigen und einem vierzehnjährigen Burschen an einem öffentlichen Anlass. Wir drei waren natürlich begeistert, sodass es für uns nur noch eines gab: weiter machen mit anderen jungen Schülern und Freunden. Und so entstand daraus langsam ein Orchester".

Eben das Orchester "Lanigiro", einst eines der beliebtesten Jazz-, Tanz- und Unterhaltungsensembles der Schweiz. Das ursprüngliche Trio mauserte sich im Laufe der Jahre zu einer waschechten Bigband und schliesslich zu einem professionellen Unternehmen, das mit einem breiten Angebot musikalischer Ausdrucksmöglichkeiten aufwarten konnte: Jazz, Konzertmusik, Walzer, Ländler und so weiter. All dies garniert mit humorvollen Showeinlagen, womit fast alle Ansprüche des Publikums befriedigt werden konnten.
In den dreissiger Jahren wurde das Orchester auch im Ausland bekannt; es konnte sich in den Jahren des Zweiten Weltkrieges sowie danach bis ins Jahr 1961 im Musikgeschäft behaupten.

Zeitschrift "Jazz": "Auch haben sie in ihrer langjährigen Praxis gelernt, dass musikalisches Können alleine nicht immer genügt, sondern dass das Orchester auch dem Auge etwas zu bieten hat: sie wissen, dass der Humor, der in einer Tanzkomposition steckt, auch sichtbar gemacht werden kann, und verstehen es, auf diese Weise Tanzende und Nichttanzende zu unterhalten; auch erschienen sie schon vor fünf Jahren im eigenen Tenues, das sie Jahr für Jahr wechseln."

Besondere Bedeutung erlangte das Orchester bei der Verbreitung des neuen, damals noch in den Kinderschuhen steckenden Jazz, der sich etwa zeitgleich mit der Orchestergründung im kulturellen Leben der Stadt Basel zeigte. Können die Lanigiro respektive deren Mitglieder - die als vielseitige Unterhalter musikalisch auf "allen Hochzeiten" agierten - trotzdem als Jazzpioniere definiert werden?
Der geschichtliche Werdegang des Orchesters spricht eindeutig dafür, die vorhandenen akustischen Dokumente wie Schallplatten und Radioaufzeichnungen hingegen weniger. Letztere weisen das Orchester hauptsächlich als ein moderates Tanzensemble aus. Doch in vereinzelten Fällen bricht Jazz durch und gibt dieser Grundsatzfrage die lapidare Antwort: sowohl als auch. Die Lanigiro standen als erste "moderne" Tanzband zur richtigen Zeit am richtigen Ort, ihr Beitrag zur Entwicklung des Jazz mindestens auf lokaler Ebene steht deshalb ausser Frage.

Lagebesprechung bei Hans Philippi. V.l.n.r: Mabille, W. Beuret, Philippi, R. Beuret, Max Adam, Wagner, Werthemann, LaRoche, Landsrath.
Die Basler entdecken den Jazz
Das Aufkommen des Jazz wurde hauptsächlich in konservativen Kreisen als kultureller Niedergang wahrgenommen, was in gallensauren Bemerkungen in der Zeitschrift "Die Bewegung" wie folgt zum Ausdruck kommt:
"Die Verzerrung des Klanges ins Geräusch, die Harmonie in die Kakophonie, des natürlichen Tones der Instrumente ins karrikaturhaft-künstlich übertriebene und in ein schmieriges Glissando, die Aufhebung und Verleugnung jeder inneren Würde, Besinnlichkeit und Beschwingtheit, alles das spricht die Sprache der Anarchie, eines musikalisch sich äussernden Nihilismus".

Doch der Eintritt des Jazz ins europäische Kulturleben führte weder zur "Aufhebung innerer Würde" noch in die "Anarchie". Es reichte nicht mal zu einem echten Kulturschock, wie dies Jahrzehnte später, als der Rock 'n' Roll über die musikalische Landschaft hinwegfegte, der Fall war. Jazz - auch in nur abstrahierter Ausprägung - konnte viel eher als eine massvolle Frischzellenkur für den allmählich erlahmenden traditionellen, abendländischen Musikbetrieb verstanden werden.
Von gelegentlichen "Ausrutschern" abgesehen, bewegte sich das Wirken der "Jazzer" hierzulande merklich unterhalb einer kulturellen Schmerzgrenze, wobei sich die Situation in Basel kaum von anderen Orten in der Schweiz respektive innerhalb Europas unterschied.

Inzwischen waren auch weitere Tanzformen wie der "English Waltz", "Tango", "Rhumba" usw. in Mode gekommen, und der Jazz konnte sich unauffällig in die bereits bestehenden Raster der "modernen Tanzmusik" einfügen. Jazz "eroberte" nicht - er "erschlich" sich im Gefolge weiterer Musikformen den Eingang ins Bewusstsein des europäischen Musikkonsumenten.

Roger Beuret: "Auf uns Junge brach alles Neue gleichzeitig herein. Nebst dem Foxtrott, Onestep und Twostep mussten wir auch Tango, English Waltz usw. spielen. 1923-24 kam mit dem Charleston ein frischer Wind, aber wir sahen darin keine Botschaft, denn wir Kollegen kamen einfach zusammen und wollten Tanzmusik machen, am Anfang dachten wir eigentlich gar nicht an Jazzmusik."

Die ältere Generation stand der neuen Musik eher ablehnend wenn auch duldsam gegenüber. Roger Beuret: "In der Schule durfte man nur klassische Musik spielen. Da waren aber immer einige dabei, die auf den Instrumenten ein klein wenig versuchten zu 'fägen'. Die Lehrer gerieten in Rage und sagten, das sei eine furchtbare Negermusik. Wir wurden von der Lehrerschaft deswegen richtiggehend angefeindet."

Hans Philippi, der später zu den Lanigiro stossen sollte: "Daheim fand mein Entschluss, Jazz zu spielen, wenig Verständnis, zumal mein Bruder der klassischen Musik weiterhin treu blieb. Meine musikalische Liebhaberei wurde ziemlich verachtet, ich musste meine Anliegen darum mit Diplomatie, Ausreden und Tricks durchsetzen."

Warum wurde der Jazz abgelehnt? Die musikalischen Freiheiten, etwa in der Improvisisation, Tongestaltung, Taktgebung, waren den schulischen Lernzielen, die ausschliesslich auf klassische Vorbilder fixiert waren, ein Dorn im Auge. Hinzu kam eine latente, mal unterschwellige, mal offene, rassistische Geringschätzung Menschen anderer Hautfarbe gegenüber. Ihnen gestand man nur ungern intellektuelle und künstlerische Fähigkeiten zu. Man erblickte in ihnen zwar nicht mehr unbedingt jene Sklaven von einst, aber immer noch die Diener ihrer (weissen) Herren. Wer erinnert sich nicht an den "Aschenbecher-Nigger", der einst jeden (klein-)bürgerlichen Haushalt zierte?
Noch eine weitere publizistische Kostprobe gefällig?: "Neue Zürcher Zeitung": "Neger, die nach einem Tanzradau auf dem Rücken liegen und auf die Melancholie warten, die über ihre dicken, gutmütigen, dummen Leiber kommt."

Authentischer Jazz, Frühjazz, Jazz
Frühformen des europäischen, schweizerischen und somit auch des Basler Jazz entsprachen in der Substanz nur bedingt den Vorgaben aus den Farbigen-Ghettos und den Vergnügungsvierteln der amerikanischen Grossstädte, wo die neue Musiksprache an der Wende zum 20. Jahrhundert entstand und dann laufend weiterentwickelt wurde. Jazz in Europa war in erster Linie ein durch mehrere Schleifprozesse abgeschwächtes Nachahmeprodukt, es konnte nur bedingt die Eingebungen seiner afro-amerikanischen Erfinder weitervermitteln.
Das Verwertbare des ursprünglichen Jazz - seine Klangformen, die rhythmischen Eigenschaften, Dissonanzen - wurde in den USA in jenen Kreisen wahrgenommen, die es ohnehin verstanden, aus Trends und deren Inhalten kommerzielle Vorteile zu ziehen - selten zu Gunsten von deren Erfinder. Der ursprüngliche Jazz fiel demnach bald verschiedenartigsten Vermarktungsstrategien anheim.

Einer der populärsten - aber längst nicht der einzige - Nutzniesser dieser Entwicklung war der befrackte, jovial aussehende, aber äusserst clevere Paul Whiteman. Ein Dirigent und Bandleader, der sich selbst zum "King of Jazz" krönte. Sein mit vielen Streichern, Hörnern und Holzbläsern besetzes Jumbo-Orchester, Paul Whiteman's Symphonic Jazz, verpasste dem zuvor ungehobelt daherkommenden Ghetto-Jazz ein geschliffenes, gelacktes Image. Damit erlangte die Musik Eintritt in die Salons des vorwiegend weissen, euro-amerikanischen Bevölkerungsteils in den Grossstädten der USA. Und bald darauf erwies sich Whitemans "Symphonic Jazz" auch als profitables, kulturelles Exportgut für den europäischen Markt.

Der selbst ernannte "King of Jazz": Paul Whiteman mit seinem Jumbo-Orchester.
Die Botschaften von Paul Whiteman & Co. wurden in Europa, zuerst vor allem in England, umgehend für eigene Interessen genutzt. Eine zwischen der britischen und der amerikanischen Musikergewerkschaft bestehende Rivalität mag diese Entwicklung noch zusätzlich beschleunigt haben. Radiosender mit grosser Reichweite, voran die British Broadcasting Corporation (BBC) berieselten unseren Kontinent mit modischer "Dance Music made in England", die ihren Ursprung allerdings nur schlecht verhehlen konnte. Orchester wie die "Savoy Orpheans", Lew Stone, Jack Hylton, Harry Roy, Alex Hyde, standen dabei in vorderster Front. Ohne das spielerische Können dieser Bands in Frage zu stellen, ihre Produkte waren - angelehnt an die Erzeugnisse der Amerikaner Paul Whiteman, Jean Goldkette, Ben Pollack, Coon-Sanders - letztlich Jazzmusik aus inzwischen dritter Hand, bereitgestellt für einen vierten Abguss auf unserem Kontinent. Dass bei dieser Ausschlachtung eine leistungsfähige Schallplattenindustrie mitmischen konnte, sei hier am Rande vermerkt.

Roger Beuret: "Als wir begannen, als Amateure auf Bällen zu spielen, mussten wir uns an Hand von Schallplatten orientieren. Wir hörten uns Paul Whiteman, Jack Hylton und andere an. Dann kauften wir uns das entsprechende Notenmaterial, denn wir besassen ja kaum eigene Arrangements."

Um jene Zeit besass man noch wenige Kenntnisse über den Jazz, über seine Wurzeln, seine Entstehungs- und Entwicklungsgschichte. Erhellende Literatur, wie etwa Robert Goffins Buch "Aux Frontières du Jazz", war unbekannt. Man genoss die modernen, schmissigen Klänge, die die BBC frei ins Haus lieferte, die den vermeintlichen "State of the Art in Jazz" suggerierten.
Garland's Coloured Light‘s, (sic!) im Programm nebenbei aufgeführt... (National Zeitung, 15. Juli 1926)
Die Erkenntnis, dass der Jazz ursprünglich "vom Neger kommt", dürfte dennoch nicht ganz fremd gewesen sein. Bei einer der seltenen Gelegenheiten, in Basel farbige Künstler zu hören, vermittelte die Presse aber nur oberflächliche Eindrücke, wie etwa die "National Zeitung" beim Auftritt von Will Garlands Coloured Lights im Jahr 1926:
"Wer sich zu einem Original Nigger-Jazz im Tanze wiegen will, mag sich über die Schiffstreppe auf das Tanzschiff begeben und da neben dem Tanzvergnügen noch die Kunst des Jazzdrummers oder den famosen 'Banjo-Song' des 'Chapel-Masters' bewundern".

Das Urteil der aufmerksamen, jungen Amateure der Lanigiro war da merklich präziser.
Roger Beuret: "Das erste Mal, als wir so richtig Jazz gehört haben, war im Jahr 1926, auf einem Vergnügungsschiff, anlässlich der Binnenschifffahrtsaustellung in Basel. Vier Neger haben uns richtigen Jazz, den 'Charleston', gebracht. Die haben so richtig 'gefägt'. Dabei waren ein Klarinettist, der abwechslungsweise Saxofon spielte, ein Pianist, ein Schlagzeuger und ein Posaunist. Der Posaunist war der Erste den ich hörte, der ohne Noten gespielt hat."

Wer hat den Käse zum Bahnhof gerollt?
Inwieweit der musikalische Nachwuchs einheimischen Künstlern auf die Finger schauen konnte, lässt sich kaum mehr feststellen. In Frage kommenden Vorbildern, die mit den Bands von Abriani, Kranebitter, Batille, Nyari gelegentlich nach Basel kamen, wird kaum eine nennenswerte Vorbildfunktion attestiert.

Noisemaker Freddie James
Roger Beuret: "Ich hatte ganz am Anfang nicht einmal ein Schlagzeug, ein Tabourettli war meine Trommel! Dazu kam ein Tambourin, und als Pauke nahm ich den Kohlekessel. Daran befestigte ich eine Schnur. Zog ich daran, dann fiel der Deckel herunter. Das ergab einen 'Zzt-zzt-zzt-ztt Effekt'. Damals gab es kaum etwas, was mich beeindruckte, ausser ab und zu mal eine neue Schallplatte. Wir hatten auch keine musikalischen Vorbilder, denn wir konnten damals kaum irgend etwas hören, es gab fast keine Musiklokale, und im Casino hörte man fast nur Streichmusik. Das Einzige, woran ich mich gut erinnern kann, war der Schlagzeuger Freddie James, ein Schwuler, der in Wirklichkeit Aeschlimann hiess und aus Olten kam. Er trug einen Frack, Zylinder und ein Monokel, mit welchem er die Zuhörer immer komisch fixierte. Dann stand er auf, ging von Tisch zu Tisch, trommelte mit seinen 'Stäckli' herum und sang 'Wer hat den Käse zum Bahnhof gerollt?' oder 'Der Mayer am Himalayer', während dem sein Klavierspieler pausenlos auf dem Klavier hämmerte. Das war Anfang der zwanziger Jahre im 'Singer' und im alten Café Wittlin, dem späteren 'Odeon'. Ich war damals noch fast ein Bub. Freddie James muss etwa um 1890 auf die Welt gekommen sein. Er war wahrscheinlich der erste Schlagzeuger in der Schweiz. Auch Bill Mantovani, der hinter seinem 'Tschäss' im alten 'Dancing Singer' werkte, hatte uns damals keinen speziellen Eindruck gemacht."

Demgegenüber berichtet die Zeitschrift "Jazz": "Bei Manfred Werthemann zeigte sich bald eine starke Neigung zum Jazz. Angeregt durch Abriani's Band, die 1924 im Casino in Basel gastierte, widmete er sich nunmehr intensiv der Tanzmusik auf Piano und Saxofon ..."

Zwar beeindruckt, aber noch nicht sonderlich beinflusst, waren die jungen Musiker nach den Auftritten der afro-amerikanischen Orchester und Revuen, die in Basel um jene Zeit allerdings selten waren.

Roger Beuret: "Da waren die Auftritte von Sam Wooding im Küchlin und die der Chocolate Kiddies. Das war etwas, was uns Eindruck gemacht hatte"

Hans Philippi
Hans Philippi: "Sam Wooding kam mit vielen guten Musikern wie Tommy Ladnier, Herb Fleming, Gene Sedric nach Basel. Den einzelnen Solisten schenkte man noch keine allzu grosse Aufmerksamkeit. Aber die Klangfarben faszinierten, und die Lebendigkeit und Bühnenpräsenz des Orchesters ging allen in die Knochen, wir konnten nicht mehr ruhig sitzen. Wir wussten eigentlich nicht so recht, was sich da alles auf der Bühne abspielte, wir merkten lediglich, dass es unserer Band noch an vielem mangelte."

Vorbilder der Lanigiro: Die Weintraub Syncopators.
Bezeichnenderweise kommt ein erster, tragender Einfluss von Seiten einer aus Deutschland stammenden Band, den "Weintraub Syncopators". In diesem Orchester wirkten einige hervorragende europäische, jüdische Musiker mit, die Jahre später aus Deutschland emigrieren mussten. Roger Beuret: "Später kamen die Weintraub Syncopators ins 'Küchlin'. Das war eine ganz unerhörte Band. Sie zeigten eine gerissene Show, und von ihnen hatten wir einiges gelernt."

Mit Sidney Bechet als Attraktion.
Trotz der Basler Gastspiele von Will Garland, der Negro Review mit Sidney Bechet, von Sam Wooding's Chocolate Kiddies, der Platz Basel konnte dem Nachwuchs nicht im gleichen Masse musikalische Anregungen vermitteln, wie dies in Genf und Zürich der Fall war. In den dortigen Etablissements spielten regelmässig prominente ausländische Orchester. Und Dank der ausländischen Diplomaten war auch im behäbigen Bern der kulturelle Pulsschlag des Auslandes deutlicher spürbar.

Von "ODUR" zu "ODOR" zu "Lanigiro"

Woher kamen die Gründungsmitglieder der Lanigiro, und wer sind sie? Das Sammelbecken war die "ODUR" respektive die "ODOR". Was eher nach einer Zahnpaste oder einem Blitzblank-Putzmittel klingt, ist in Wirklichkeit die Kurzform für die Unter- respektive Oberstufe der Realklasse an Basels De-Wette-Schulhaus. An dieser Schule wurde auch Musik unterrichtet, gemeinsam gespielt, hier wurden hochfliegende Zukunftspläne geschmiedet.

Über den allerersten Kurzauftritt vom März 1924, der in der Folge zur Gründung der Lanigiro führte, berichteten wir bereits. Dazu noch einige Ergänzungen.
Parallel-Orchester "Odor-Jazz", April 1926. V.l.n.r: Lansrath, Dankner, Eberhardt, Martignalia.
Roger Beuret:."Die Tanzlehrerin Madame Zurkinden war die Mutter von Iréne Zurkinden, der später bekannt gewordenen Basler Künstlerin. Ich war Tanzschüler; und weil ich gut tanzen konnte, wurde ich, zusammen mit der Iréne, oft von Frau Zurkinden zum Vortanzen aufgefordert. Für den besagten Abschluss-Ball waren die 'Kranebitter-Cosmopolitans' engagiert. Die Band bestand aus den beiden Brüder Kranebitter; der eine von ihnen spielte Tenorsaxofon und Schlagzeug, der andere - der Dicke - war der Pianist. Mit dabei war auch ein unerhört guter italienischer Geiger. Benny Brade sen., Saxofon und Schlagzeug aus Basel, kam als vierter Mann hinzu. Regulär spielte er im Symphonieorchester in Basel als Perkussionist. Die Kranebitters kamen aus Zürich, spielten aber oft auch in Basel, normalerweise aber nur im Trio. In unserem Trio spielten nebst mir am Schlagzeug mein Bruder Willy an der Geige und Oswald "Osi" Wagner am Klavier mit. Willy und Osi besuchten zusammen die gleiche Gymnasialklasse."

Nach diesem ermutigenden Auftritt wurde intensiv geprobt, nach und nach gesellten sich weitere Leute, zum Teil aus der Oberklasse hinzu. Einer der ersten externen Zuzüger war der Trompeter Willy Mick.
Beuret: "Noch vor Eric Landsrath hatten wir den Trompeter Willy Mick. Er war Deutscher, bereits älter als wir und kam von der Knabenmusik her. Mick spielte auf einem 'Fätzen' von Trompete, einer 'Stosstrompete', wie wir das Stück nannten."

Manfred Werthemann
Ein weiteres neues Mitglied war Manfred Werthemann. Als Autodidakt betätigte er sich zuerst am Klavier, später entpuppte er sich als Multiinstrumentalist, der fast alle Instrumente spielte. Später konzentrierte er sich hauptsächlich auf Posaune, Trompete, Alt- und Baritonsaxofon. Anschliessend besuchte er das Konservatorium in Basel und schloss mit einem Pianisten-Diplom ab.
Mehrere Jahre älter als das Gros der Band, dennoch stark verbunden mit der Entwicklung des Orchesters, war der Saxofonist und Klarinettist Max Adam. Er bildete sich am Konservatorium zum Musiklehrer aus und war lange Jahre an diesem Institut als Lehrer tätig.
Der Trompeter und Saxofonist Eric Landsrath trat dem Orchester etwa gleichzeitig wie Werthemann bei. Auch er besuchte Kurse am Basler Konservatorium, schloss jedoch nicht mit einem Diplom ab.
Hans Philippi kam zu der Band als Tuba- und Sousafonspieler. Nebenbei bediente er die "swanee slide-wistle", in der Band wurde er auch als "Belcanto-Sänger" eingesetzt.

Hans Philippi: "In meinem Elternhaus wurde viel musiziert. Mich steckte man in den Violinunterricht beim berühmten ungarischen Geiger Joseph Szigetti, der auch schon in Amerika war. Der dünne Ton der Violine passte mir nicht sonderlich. Daraufhin probierte ich es mit dem Cello und später mit dem Klavier. Die klassische Musik gefiel mir nicht, am Radio hörte ich mir lieber die britischen Dancebands wie etwa Jack Hylton oder die Savoy Orpheans an. Als dann einige Schüler der ODOR eine Tanzband gründen wollten, schloss ich mich an. Ich musste als Instrument das voluminöse Sousafon übernehmen. In der Familie hatten wir eine anerkannte klassische Sängerin. Auch meine Stimme eignete sich zum Singen, und da meine englische Aussprache verständlich war, wurde ich auch zum Bandsänger auserkoren."
Die Lanigiro bereit zur Abfahrt. Roger Beuret (Mitte), Hans Philippi (rechts aussen).
Gelegentlich wirkte auch der Saxofonist Wolfgang La Roche mit, der spätere Gatte von Merret Oppenheim. Der Jurastudent Walter "Datz" Dietzi kam als Ersatzpianist hinzu, er übernahm später den Klavierstuhl von "Osi" Wagner, als dieser sich nur noch als Manager betätigte. Willy Beuret vertauschte die Violine mit dem Banjo und spielte nebenbei auch Klarinette.
Roger Beuret, eine treibende Kraft im Unternehmen Lanigiro, bediente weiterhin das Schlagzeug, kaufte sich zusätzlich ein Xylofon und machte auf diesem Instrument rasche Fortschritte. Er besass auch grosse Fähigkeiten als Showman.
Roger Beuret wurde gelegentlich durch einen weiteren Basler, den Schlagzeuger Oskar "Lättli" Felber abgelöst. Aufgrund der Vorgaben aus dem zugekauften Notenmaterial erwuchs der Band auch eine ausgewachsene Stringsection mit Erwin Steinbach (1. Violine), Otto Schelling (2. Violine) und Louis Mabille (Cello). Paul Whiteman's Jazz Symphonics und Londons Savoy Orpheans liessen dabei grüssen.

Das "kleine Negerlein" – Signet der Lanigiro aus dem Jahr 1926.
Nomen est Omen: "Lanigiro"
Woher stammt der exotisch klingende Name "Lanigiro"? Die Gründung einer Band ist das eine, die Suche nach dem passenden Namen das andere. Wie wäre es mit "Original" - nur umgekehrt? Die Idee stammte von Hans Philippi.und wurde von allen Mitgliedern sofort gutgeheissen; von nun an nannten sie sich Lanigiro-Band.
Aber nach dem erleuchtenden Erlebnis mit Sam Wooding and his Coloured Orchestra erschien der Name Lanigiro-Band zu tief gestapelt. Eine Erweiterung in The Lanigiro Syncopating Melody Kings war Ausdruck der Ambitionen der jungen Musiker.
Am 3. Juli 1926 wurden die Lanigiro Syncopating Melody Kings, als "Jugendliches Jazzband-Orchester", von der Schweizer Radiogenossenschaft für eine 20-minütige Radioübertragung engagiert. Wahrscheinlich war dies einer der ersten, wenn nicht gar die erste Radioübertragung einer Schweizer Jazzformation überhaupt.

Stills aus dem Lanigiro-Stummfilm vom Jahr 1926. Mit Werthemann, Wagner, Roger. und Willy Beuret, Philippi und anderen.




















Zwei weitere, mögliche Premieren folgten: Im Jahr 1927 wirken die Lanigiro Syncopating Melody Kings bei einem kurzen Stummfilm zu Werbezwecken mit. Was sie dort spielten, lässt sich naturgemäss nicht mehr eruieren. Ihre Gestik und Mimik lässt jedoch die Vermutung zu, dass dabei Jazzelemente eine Rolle gespielt haben.

Und am 18. September 1929 kommt es zu den legendären, ersten Schallplattenaufnahmen mit einer Schweizer Jazzformation (siehe Diskographie). Obwohl man sich über den Erfolg der jungen Musiker erfreuen darf, ist nicht ganz verständlich, weshalb für diese Premieren keine der in der Schweiz bereits aktiven, erfahrenen Berufsmusiker wie etwa René Weiss, Edmond Cohanier, Riquet Schleiffer, Berto Bornand, Walter Baumgartner oder Eddie Brunner beigezogen wurden. Haben die gesellschaftlichen Verbindungen der vorwiegend aus bürgerlichen Häusern stammenden Lanigiro-Musiker ihnen den Weg geebnet?

Die Auftritte häufen sich
Am 8. Mai 1926 absolvierten The Lanigiro Syncopating Melody Kings einen Auftritt im Singerhaus in Basel, der von der Presse wohlwollend kommentiert wurde. Beim dort erwähnten jungen Pianisten handelte es sich um Manfred Werthemann, er zog auch bei weiteren Anlässen die Aufmerksamkeit auf sich:
"In der Pause spielte Manfred Werthemann der Welt Lieblingsinstrument: den Onkel Saxofon. Die Klaviersoli waren mir lieber." ("Radio Journal", 25. Sept. 1926).

Erste Sommersaison in Morgins. V.l.n.r: R. Beuret, Landsrath, Wagner, Werthemann, W. Beuret.
In den Sommerferien 1927 erhielt die Band Gelegenheit, in einer kleineren Besetzung ein mehrwöchiges Engagement im Grand Hotel in Morgins, oberhalb von Monthey im Wallis gelegen, anzutreten. Mit dabei waren Eric Landsrath, Manfred Werthemann, Oswald Wagner, Willy und Roger Beuret. Die Gage betrug, nebst Kost und Logis, Fr. 8.- pro Mann und Tag.
Zeitschrift "Jazz": "Dank dem dortigen internationalen Publikum und dem Verständnis des Patrons, der zugunsten der Jazzmusik auf die übliche Konzertmusik zum Tee und nach dem Abendessen verzichtete, war es ihnen möglich, ihre ganze Kraft auf die Jazzmusik zu verlegen und ihren Genre zu kultivieren..."
Dieses Engagement wiederholte sich auch im folgenden und im übernächsten Jahr, wobei sich die Besetzung jeweils leicht änderte.

Auftritt im Musiksaal des Casino, Basel, ca. 1925-26. V.l.n.r: Wagner, Schelling, Mabille, Roger Beuret, Philippi, Willy Beuret, Landsrath, LaRoche, Werthemann.
In der Zwischenzeit steckten die Mitglieder der Band entweder in der Berufsausbildung, im Studium oder quälten sich durch die Rekrutenschule. Willy Beuret besuchte nach dem Schulabschluss eine Textilfachschule in Mülhausen. 1928 schloss er mit dem Diplom ab und wanderte noch im gleichen Jahr in die USA aus. Roger Beuret und Eric Landsrath absolvierten eine kaufmännische Lehre. Während Roger Beuret eine Stelle als Angestellter antrat, ging Eric Landsrath zur Ausbildung ans Konservatorium. Hans Philippi machte zuerst eine Bankenlehre, wechselte später in das Versicherungsfach über. Manfred Werthemann und "Osi" Wagner begannen mit ihrem Jurastudium.
Die Häufigkeit der Auftritte brachte massive Umtriebe mit sich. Dies bewog "Osi" Wagner, bisher Pianist und Administrator, das Management der Lanigiro Syncopating Melody Kings offiziell zu übernehmen, was als allererster Schritt hin zur Professionalisierung des jungen Unternehmens gedeutet werden kann. Eine Vorstellung, die sich in den Gedankengängen einiger Bandmitglieder schon seit einiger Zeit festgesetzt hatte. An Oswald Wagners Stelle als Orchesterpianist trat nun Walter "Dazz" Dietzi, der ebenfalls ein Jurastudium begonnen hatte.

Mittlerweile galten die Lanigiro Syncopating Melody Kings als die "Platzhirsche" im Raume Basel. Ihr Ruf als vielseitiges Unterhaltungsensemble verbreitete sich rasch, vermehrte Auftritte ausserhalb der Region, etwa in Bern, Lausanne, Mulhouse und wiederum in Morgins, waren die unmittelbare Folge.
Nebst der instrumentellen Vielfalt, einem Flair für gutes Entertainment und mit dem Bonus der Jugendlichkeit behaftet, hatte die Band inzwischen auch ein akzeptables, spieltechnisches Niveau erreicht. Die Schallplattenaufnahmen vom Herbst 1929 können dies belegen. Die zunehmende Zahl von Schallplatten-Neuerscheinungen auf dem internationalen Markt, die aufmerksam studiert wurden, liessen allerdings erkennen, dass die Instrumentierung der Band und damit einhergehend auch ihre musikalische Ausrichtung nicht mehr den neueren Trends entsprachen.

Sommercasino, Basel, 1932. V.l.n.r: Pedroni, Landsrath, Dietzi, Schmassmann, Zinsstag, R. Beuret, Werthemann.
Nicht nur die Tuba - in moderneren Ensembles wurde sie bereits durch einen Kontrabass ersetzt -, auch die dreiköpfige Streichergruppe, Relikt der ausklingenden Paul-Whiteman-Ära, standen einer musikalischen Neuorientierung im Wege. Roger Beuret: "Hans Philippi verliess das Orchester weil er im Ausland eine Stellung als Versicherungsfachmann antreten konnte. Die Tuba wurde im Orchester durch einen Kontrabass ersetzt und die dreiköpfige Stringsection, bestehend aus Steinbach, Schelling und Mabille, wurde ausgebootet. Auch der bisherige Name Lanigiro Syncopating Melody Kings passte nicht mehr richtig ins neue Konzept, deshalb nannten wir uns fortan Lanigiro Hot Players."
Die Instrumentation des Orchesters wurde markant verändert; an Stelle der Streicher traten weitere Blechinstrumente, die ein Ensemblespiel nach dem moderneren Drei-Sektionen-Modell, Blechsatz, Saxteam und Rhythmusgruppe, ermöglichten.
Nebst dem in der Schweiz käuflichen Notenmaterial, das meist indirekt via England und Frankreich und somit mit Verzug in die Schweiz gelangte, hatte die Band jetzt direkten Zugang zu den neuesten Arrangements aus den USA. Das ehemalige Bandmitglied Willy Beuret, jetzt in den USA, betätigte sich als fleissiger und kenntnisreicher Lieferant von aktuellem Notenmaterial. Roger Beuret: "Die Lanigiro erhielten dank Bill die modernsten Schlager aus Amerika, mit den Instrumentalstimmen 4 Saxofone, 3 Trompeten, 2 Posaunen, etc."

Als neue Mitglieder traten René Schmassmann (Altsaxofon, Klarinette), der Multiinstrumentalist, Komponist, und Arrangeur Dolf Zinsstag (Posaune, Saxofone, Gitarre, Bass, Piano) - beide Absolventen des Basler Konservatoriums -, sowie der Saxofonist und Klarinettist Mario Pedroni bei. Im Jahr 1932 hatten die Lanigiro mittlerweile einen semiprofessionellen Status erreicht. Nebst obligatorischen Heimspielen in Basels Etablissements wie dem 'Wittlin', kam es zu verschiedenen auswärtigen Engagements, so in den Sommermonaten im Kursaal in Luzern. Ein mehrtägiger Auftritt im Basler Küchlin-Theater im November 1932 stiess sowohl in der Tages- wie auch in der Fachpresse auf beachtliche Resonanz.

Bruno Bandini
Kurz vor dem Küchlin-Engagement trat Bruno Bandini, der in späteren Jahren dem Orchester nominell als Leader vorstand, den Lanigiro Hot Players bei. Bruno Bandini: "Ich habe mich am Basler Konservatorium als Konzertgeiger ausbilden lassen. Dann bekam ich ein Engagement im Hotel Storchen in Basel, wo ich vier Jahre lang als Profi-Violinist in einem Trio mitmachte. Wir spielte keinen Jazz, nur Konzert- respektive Salonmusik. Als ich dort aufhörte, fragten mich die Burschen von den Lanigiro, die ich schon längst kannte, ob ich bei ihnen mitmachen wolle. Ich konnte jedoch nicht Saxofon spielen. René Schmassmann beruhigte mich und sagte, er würde mir dies in kurzer Zeit beibringen, und so war es auch."

Mit dem Beitritt von Bruno Bandini zu dem Lanigiro Hot Players neigte sich auch die Ära Manfred Werthemann ihrem Ende zu. Werthemann, der musikalische Spiritus Rector der Band, schrieb und überarbeitete Orchesterarrangements, leitete Proben und Aufführungen und tat noch einiges mehr. Er prägte auch weitgehend das Klangbild des Ensembles. Nachdem der Eintritt des Orchesters ins Profilager unumgänglich wurde, musste Manfred Werthemann mehr oder weniger freiwillig (auf Wunsch der Familie, er war alleiniger "Thronfolger" eines prosperierenden Familienunternehmens) aus dem Orchester austreten und somit auf die langjährige Ernte seiner Aufbauarbeit verzichten. Werthemann wirkte zwar noch bei einigen Engagements mit, verabschiedete sich definitiv von seinen Kollegen im Dezember 1933, nach Beendung eines sechswöchigen Engagements im neu eröffneten Tanzcabaret Odeon.
Max Adam
Etwas früher verabschiedeten sich zwei weitere Miglieder vom Orchester: Max Adam und Walter "Dazz" Dietzi. Dem Saxofonisten Max Adam wurden ebenfalls beachtliche musikalische Fähigkeiten attestiert; er amtierte gewissermassen als rechte Hand Werthemanns. Max Adam war in der Folge als Lehrer am Basler Konservatorium tätig. Pianist Walter "Dazz" Dietzi wollte ebenfalls nicht Berufsmusiker werden, er schloss seine Studien als Jurist ab und war anschliessend als Anwalt tätig. Dietzi wurde im Sommer 1933 durch das Neumitglied Werner Thöni ersetzt. Manfred Werthemann gründete in der Folge unter seinem eigenen Namen ein Amateurorchester, das später in Fred Many's Band umbenannt wurde und jahrelang als Hausorchester im Basler Volkshaus fungierte. Diesem Orchester gehörten auch ehemalige Lanigiro-Leute wie Walter Dietzi und später Eric Landsrath an.

Dolf Zinsstag
Mitte März 1933 kehrte die Lanigiro-Band aus der Wintersaison nach Basel zurück; in Oswald Wagners Tasche lagen neue, attraktive Verträge, die den Übertritt ins Profilager ebnen sollten.
Ende März 1933 kam Dolf Zinsstag, der in der Zwischenzeit auch bei anderen Formationen mitgewirkt hatte, definitiv zum Orchester.
Das erste Engagement absolvierte er im Singerhaus, wo sich die Gruppe unter dem Namen "New Rhythm Band" in einer veränderten Besetzung präsentierte. Dolf Zinsstag: "Im 'Singer' hatte ich mein erstes Profi-Engagement bei den Lanigiro, dort habe ich mich auch für die Posaune als Hauptinstrument entschieden. Ich wusste allerdings bereits, dass ich weiterstudieren werde, denn ich meldete mich für einen Dirigentenkurs an der Staatsakademie in Wien an, den ich dann im September 1935 unter Felix Weingartner antrat."

René Schmassmann: "Im Singerhaus haben wir nach eigenen Klängen gesucht und verwendeten dazu auch eigene Arrangements. Besonders Dolf Zinsstag schrieb bereits extreme Sachen. In einer Pause rief mich Frau Singer zu sich auf den Balkon und sagte, 'nehmen Sie Platz, was darf ich Ihnen offerieren? So, wie hiess das Stück das sie eben spielten?' Ich sagte spontan den Titel und glaubte sie hätte daran Freude gehabt. Sie hingegen sagte, es wäre ihr schon lieber, wir würden das Stück nicht mehr spielen! So fing die Karriere an, Sie können sich vorstellen, dass die künstlerischen Ambitionen bald zugunsten des kommerziellen Interesses zurückgeschraubt werden mussten. Läuft die Kasse gut, war auch das Orchester 'gut' - selbst wenn es eine Guggemusik war!"

Das sechswöchige Engagement im neu eröffneten Tanzcabaret Odeon, vormals 'Wittlin', vom November bis Mitte Dezember 1933, gilt offiziell als Datum des Übertritts ins Lager der Berufsorchester. Diesem Auftritt folgte eine erste und erfolgreiche Wintersaison im Grand Hotel Suvretta in St. Moritz.










© Jazzdocumentation 2004